top of page

Zwischen Diesseits und Anderswelt: Die Ursprünge von Halloween

  • Autorenbild: Carmen Heller
    Carmen Heller
  • 23. Sept.
  • 6 Min. Lesezeit

Eine Nacht, in der die Grenze fällt



Wenn der Herbst ins Land zieht, verändert sich die Atmosphäre spürbar. Blätter treiben durch die Straßen, Nebel legt sich über die Landschaft, und die Dunkelheit bricht früher herein. Oft mischt sich in dieser Zeit eine leise Melancholie in meine Gedanken. Zugleich spüre ich einen besonderen Reiz: den wohligen Schauer, den manche Herbstnächte hervorrufen – allen voran die Nacht, die wir heute Halloween nennen.


Viele verbinden Halloween in Österreich mit Kostümen, Kindern, die Süßes sammeln, und ausgelassenen Feiern. Doch der Ursprung reicht weit zurück. Für die Kelten war es das Fest Samhain – der Beginn der dunklen Jahreshälfte und eine Zeit, in der die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Anderswelt offenstand.


Alter Friedhof im Nebel mit Grabsteinen und Kerze – stimmungsvolles Bild zu Allerheiligen und Halloween in Kärnten.
In der Nacht von Halloween glaubten die Kelten, dass die Grenze zwischen den Welten durchlässig wird und die Toten zu den Lebenden zurückkehren. (Bild: KI-generiert nach einer Idee von Carmen Heller)

Halloween - Ursprung im keltischen Neujahrsfest Samhain


Für die Kelten begann das Jahr nicht im Januar, sondern in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November. Samhain markierte das Ende der Erntezeit und den Beginn des Winters. Alles, was wachsen konnte, war eingebracht, die Vorräte lagen bereit, und man wusste, dass nun eine Zeit der Entbehrung bevorstand.

Der Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl beschreibt Samhain als „magische Zwischenzeit, in der die Grenzen zwischen unserer Welt und der Anderswelt durchlässig werden“. Nach seiner Sicht kehren in dieser Nacht nicht nur die Ahnen zurück, sondern auch Feen, Geister und andere Wesen, die aus der Wildnis hervortreten.



Die Anderswelt der Kelten


Die Kelten stellten sich die Anderswelt nicht als Himmel oder Hölle vor, sondern als eine parallele Wirklichkeit, die eng mit der unseren verbunden war. Quellen, Hügel oder Wälder galten als Tore dorthin. Besonders zu Schwellenzeiten, und Samhain gehörte dazu, wurde diese Grenze durchlässig.

Der schottische Anthropologe und Religionswissenschaftler James George Frazer fasste die Überlieferung in seinem Buch The Golden Bough („Der goldene Zweig“) so: „The souls of the departed were supposed to revisit their homes on the night of Samhain.”

Das erklärt, warum Speisen und Lichter vor die Türen gestellt wurden. Man wollte die Ahnen ehren – und zugleich unruhige Geister fernhalten.



Die Kelten in Kärnten


Auch Kärnten war Teil der keltischen Welt. Im heutigen Zentralraum siedelte der Stamm der Noriker, deren Königreich später in das Römische Reich eingegliedert wurde.

Die Noriker kannten ebenso wie andere keltische Stämme einen Jahreskreis mit Festen, die an Naturübergänge gebunden waren. Zwar haben wir keine direkten Belege, dass Samhain in Kärnten gefeiert wurde, doch die enge Verbindung zu den Kelten in Mitteleuropa macht es sehr wahrscheinlich. Wenn ich im Herbst durch Friesach gehe und den Nebel über den Stadtgraben ziehen sehe, denke ich oft daran, dass auch hier einst Menschen lebten, die an jene „magischen Zwischenzeiten“ glaubten.


Triskele, keltisches Symbol für Kreislauf und Dreifaltigkeit – Darstellung aus der keltischen Kultur Europas
Die Triskele – ein uraltes keltisches Symbol für Kreislauf und Dreigliedrigkeit, das die spirituelle Welt der Kelten widerspiegelt. (Bild: KI-generiert nach einer Idee von Carmen Heller)

Germanische Parallelen zu Samhain


Das Fest Samhain ist eindeutig keltischen Ursprungs. Doch auch die Germanen kannten Übergangszeiten im Spätherbst, die dem Gedanken nach ähnlich waren. Der angelsächsische Gelehrte Beda Venerabilis berichtet im 8. Jahrhundert, dass man den November „Blōtmōnaþ“, den „Opfermonat“, nannte:

„Blodmonath nannten sie ihn, weil sie in diesem Monat den Göttern ihre geopferten Tiere weihten.“

In Skandinavien feierte man die Winternächte (vetrnætr), die den Beginn der dunklen Jahreszeit markierten, und brachte beim Álfablót den Ahnengeistern Opfer dar. Auch hier galt die Zeit als gefährlich und zugleich heilig, weil die Grenze zu den Toten durchlässig war.

Damit zeigt sich: Zwar war Samhain ein keltisches Fest, doch die Vorstellung, dass im Spätherbst die Nähe zu den Geistern spürbar wird, teilten auch die Germanen.



Umdeutung durch das Christentum


Mit der Christianisierung verschwanden diese Bräuche nicht, sondern wurden überlagert. Im 8. Jahrhundert verlegte Papst Gregor IV. den Gedenktag Allerheiligen auf den 1. November. Einen Tag später folgte Allerseelen.

Die alten Vorstellungen lebten weiter. Statt großer Feuer leuchteten Kerzen auf den Gräbern, statt Masken gab es Gebete. Das Bewusstsein, dass diese Tage eine besondere Nähe zwischen Lebenden und Toten schaffen, blieb erhalten.



Woher der Name „Halloween“ kommt


Der heutige Name Halloween leitet sich aus dem Englischen ab. Ursprünglich sprach man vom „All Hallows’ Eve“, also dem Abend vor Allerheiligen. Hallows ist ein altes englisches Wort für „Heilige“, und Eve bedeutet „Vorabend“. Mit der Zeit wurde daraus im Volksmund Hallowe’en und schließlich die verkürzte Form Halloween. Der Name selbst erinnert also noch immer an die enge Verbindung zwischen dem keltischen Samhain und dem christlichen Fest Allerheiligen.


Geschnitzter Kürbis mit Kerze – Halloween und Samhain Brauch mit Ursprung in Irland, herbstliche Stimmung
Zu Halloween werden Kürbisse ausgehöhlt und mit Kerzen erleuchtet – ein Brauch, der ursprünglich auf Rübenlichter in Irland zurückgeht. (Bild: KI-generiert nach einer Idee von Carmen Heller)

Schwellenbräuche in Mitteleuropa


Viele der alten Rituale finden sich in Mitteleuropa wieder. Kinder gingen von Haus zu Haus und baten um kleine Gaben. Maskenumzüge sollten böse Mächte vertreiben. Räucherungen dienten dazu, Haus und Hof zu schützen.

In Kärnten hat sich besonders das Brauchtum rund um die Rauhnächte bewahrt. Die Perchtenläufe führen die Vorstellung weiter, dass die dunkle Jahreszeit Schutz und Rituale verlangt. Für mich ist das ein schönes Beispiel dafür, wie sich die Wurzeln von Halloween bis heute in unserer Kultur zeigen.



Von Irland nach Amerika – und zurück


Im 19. Jahrhundert nahmen irische Auswanderer ihre Bräuche nach Amerika. Dort wurden Rübenlichter zu Kürbislaternen und Bittgänge der Kinder zu „Trick or Treat“. Popkultur und Film machten Halloween zu einem globalen Phänomen.

Seit den 1990er-Jahren ist Halloween auch in Österreich wieder präsent. Viele sehen darin einen importierten Trend und lehnen das Fest daher ab, doch eigentlich ist Halloween die Rückkehr einer alten europäischen Tradition, ein Fest mit uralten Wurzeln.

Für mich liegt darin ein Zauber, den ich nicht missen möchte. Diese Zeit lädt dazu ein, stiller zu werden, zurückzublicken und die Dunkelheit als Teil des Lebens anzunehmen. Vielleicht erklärt das auch, warum ich im Herbst besonders gerne Führungen anbiete: Die Geschichten wirken intensiver, wenn die Abende länger werden und Nebel durch die Straßen zieht.



Allerheiligen in Kärnten


In Kärnten bleibt das Allerheiligen-Brauchtum stark verankert. Familien besuchen die Friedhöfe, schmücken die Gräber und entzünden Kerzen. Wer abends durch die Friedhöfe geht, sieht ein Meer von Lichtern.

Wolf-Dieter Storl beschreibt diese Zeit mit eindringlichen Worten: „Die Natur hält den Atem an. Nebel liegt über den Feldern, das Laub fällt, der Lebensfluss stockt.“

Für mich sind das genau die Bilder, die ich erlebe, wenn ich im Herbst durch Friesach gehe und den Friedhof besuche. Die Stadt scheint in diesen Tagen selbst Teil einer anderen Wirklichkeit zu werden.


Allerheiligen in Kärnten – Friedhof mit vielen Kerzen und Chrysanthemen, stimmungsvolles Lichtermeer zum Gedenken an die Verstorbenen
Zu Allerheiligen verwandeln unzählige Kerzen die Friedhöfe Kärntens in ein warmes Lichtermeer des Gedenkens. (Foto und Bearbeitung: Carmen Heller)

Geschichte erleben in Friesach


Wer mehr über die Ursprünge von Halloween, über keltische Bräuche in Kärnten und über die Verbindung zu unserem heutigen Allerheiligen-Brauchtum erfahren möchte, ist herzlich eingeladen, an meinen Führungen in Friesach teilzunehmen.

Ich erzähle von Samhain, von Ritualen, die einst Schutz gaben, und von den Spuren, die sich bis heute in unserer Region finden lassen. Gerade im Herbst entfaltet Friesach eine Atmosphäre, die Geschichte lebendig macht.


👉 Alle Termine und Informationen finden Sie hier: https://www.wortkultur.at/fuehrungen-touren


Alte Klosterruine in Friesach - Mittelalterliche Mauern im Nebel
Die Ruinen des ersten Dominikanerklosters in Friesach – in kühler Herbststimmung wirken die alten Mauern wie ein Tor zur Vergangenheit. (Foto: Carmen Heller)


FAQ zu Halloween, Samhain und Allerheiligen


Woher stammt Halloween ursprünglich?

Halloween geht auf das keltische Fest Samhain zurück. Es markierte den Übergang vom Sommer zum Winter und galt als Nacht, in der die Grenze zur Anderswelt offenstand.


Gab es Samhain nur bei den Kelten?

Samhain war ein keltisches Fest. Die Germanen kannten jedoch ähnliche Schwellenzeiten: etwa die Winternächte in Skandinavien oder den „Blōtmōnaþ“ bei den Angelsachsen. Auch dort verband man den Spätherbst mit Ahnenkult und Opferhandlungen.


Was bedeutet „All Hallows’ Eve“?

„All Hallows’ Eve“ heißt wörtlich „Abend vor Allerheiligen“. Aus dieser Bezeichnung entwickelte sich über Hallowe’en die heutige Form Halloween.


Wie wird Allerheiligen in Kärnten gefeiert?


Am 1. November besuchen Familien die Gräber ihrer Verstorbenen, schmücken sie mit Blumen und entzünden Kerzen. Mit Einbruch der Dämmerung verwandeln sich die Friedhöfe in ein Lichtermeer. Eigentlich ist Allerseelen am 2. November der Tag für die Verstorbenen, doch in Kärnten hat sich das Gedenken weitgehend auf Allerheiligen verlagert.


Ist Halloween in Österreich ein amerikanischer Import?

Das moderne Halloween kam im 20. Jahrhundert über die USA nach Europa zurück. Seine Wurzeln liegen jedoch in Europa selbst: bei den Kelten und in alten Bräuchen rund um Allerheiligen.



Literaturverzeichnis


Quellen


  • Beda Venerabilis: Die Zeitrechnung (De temporum ratione). Übers. von Wilhelm Wattenbach. Darmstadt 1990.

  • Frazer, James George: The Golden Bough. A Study in Magic and Religion. Oxford University Press, Oxford 1994 [zuerst 1890].


Zeitgenössische Fachliteratur


  • Gleirscher, Paul: Der Magdalensberg. Kult – Kunst – Wirtschaft. Klagenfurt: Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, 2000.

  • Hirschfelder, Gunther: Europäische Festkultur. Geschichte, Bedeutung und Wandel der Jahresfeste. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2003.

  • Köstlin, Konrad: Feste, Bräuche, Rituale in Europa. Eine Einführung. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 1997.

  • Norton, Marlene: Halloween in Europa. Eine volkskundliche Spurensuche. Münster: Waxmann, 2015.

  • Storl, Wolf-Dieter: Halloween, Samhain oder Samon sowie Halloween und die Geisterzeit. Online-Beiträge auf storl.de, abgerufen 2025.



Über die Autorin


Carmen Heller ist Historikerin und Kulturvermittlerin in Friesach. Mit ihrer Agentur Wortkultur – Geschichte aus Leidenschaft bietet sie Stadt- und Themenführungen in Kärnten an und macht Geschichte in lebendigen Erzählungen erfahrbar. Besonders die Zeit rund um Allerheiligen und Halloween fasziniert sie: wenn Nebel über die Stadt zieht, die Abende länger werden und die Vergangenheit spürbar nahekommt.

Kommentare


Carmen 3.jpg

Über mich

Ich bin die Inhaberin des Unternehmens und der Website Wortkultur. Als Expertin für Kultur und Bildung stehe ich Ihnen für die Erstellungen von Texten und Konzepten zu Verfügung. Meine Schwerpunkte sind Content Marketing und Kulturvermittlung. Auf meiner Website gibt es auch einen Blog, auf dem ich regelmäßig Fachartikel und Aktuelles aus der Branche veröffentliche.

Newsletter

Abonnieren und exklusive Updates erhalten

Vielen Dank für das Abonnement! In deiner Mailbox wartet ein Bestätigungs-E-Mail auf dich.

© 2025 Wortkultur MMag. phil. Carmen Heller BA

bottom of page